Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 30. Januar 2020

Flucht zum Nachbarn

Die Lüchower Samtgemeindeverwaltung bezieht ab 2023 das Gebäude der VR PLUS im Amtsweg als Rathaus und verlässt ihr sanierungsbedürftiges Gebäude

Lüchow. Die Mitarbeiter des teilweise maroden Lüchower Rathauses dürften nach der Sitzung des Samtgemeinderates am Dienstagabend erleichtert aufatmen. Dessen ist sich Hubert Schwedland (parteilos), Bürgermeister der Samtgemeinde Lüchow, sicher. Den einstimmigen Ratsbeschluss, das benachbarte Verwaltungsgebäude der VR PLUS Altmark-Wendland eG ab Anfang 2023 als Rathaus anzumieten, nahm auch Schwedland selbst äußerst zufrieden zur Kenntnis. „Ich bin mir fast sicher: Niemand, der in diesem Rathaus arbeitet, wird dem Gebäude eine Träne nachweinen“, sagte er gegenüber der EJZ. Es bestehe dringender Handlungsbedarf. Das Angebot der VR PLUS, ihr Gebäude anzumieten, habe die Samtgemeinde vor rund einem halben Jahr sehr positiv überrascht. „In den Jahren davor ging das nämlich andersherum. Die Volksbank hatte eher die Absicht, unser Grundstück zu übernehmen, um sich möglicherweise zu erweitern“, berichtete Schwedland. Die Idee zu der Kooperation sei aus der Kommunalpolitik gekommen, weil die VR PLUS im Zuge der Fusion mit der Landwirtschaftlichen Bezugs- und Absatzgenossenschaft auf dem Gelände am ehemaligen Kleinbahnhof ohnehin einen Neubau plant. Die Bürofläche des zukünftigen Rathauses beträgt 2.100 Quadratmeter, beim jetzigen sind es 1.600 Quadratmeter. Die Samtgemeinde will in den neuen Standort auch die Räume des bisherigen Amtshauses gegenüber der Bücherei integrieren. Platz gebe es laut Schwedland genug. Im jetzigen Rathaus arbeiten etwa 80 Mitarbeiter.

Gesamtkosten: Etwa 3,28 Millionen Euro für 20 Jahre

Auf der Ratssitzung stellte Mareike Harlfinger-Düpow vom Projektmanagement der Samtgemeinde in einer Wirtschaftlichkeitsberechnung mehrere Alternativen für die Zukunft des Lüchower Rathauses vor und verglich die erwartbaren Kosten für die kommenden 20 Jahre. Dabei erwies sich die Anmietung des VR PLUS-Gebäudes als die kostengünstigste Alternative. Die Kommunalaufsicht sehe das laut Harlfinger-Düpow und Schwedland genauso. Die kalkulierten Gesamtkosten für die Nutzung des VR PLUS-Gebäudes in den kommenden 20 Jahren betragen 3,28 Millionen Euro. In dieser Summe sind die Kosten für erforderliche Umbaumaßnahmen enthalten – unter anderem sollen in der jetzigen VR-PLUS-Kundenhalle mehrere Büros entstehen. Die Samtgemeinde soll auch ein Vorkaufsrecht für die VR-PLUS-Immobilie erhalten.

„Langsam aber sicher in der Auflösung“

Das Anfang der 1970er-Jahre errichtete Rathausgebäude ist extrem sanierungsbedürftig, aber dennoch über zehn Jahre jünger als Teile des gegenüberliegenden VR-PLUS-Gebäudes. Jenes ließ das Unternehmen allerdings mehrfach umfangreich erweitern. Im Gegensatz zum Rathaus-Leichtbau weist es eine massive Substanz auf. Was sich die Bauherren bei der Planung des Rathauses vor knapp 50 Jahren gedacht haben, kann Schwedland heute nicht mehr sagen. Die Verwaltung weiß seit mindestens neun Jahren, dass das Gebäude sanierungsbedürftig ist: Brandschutz, Barrierefreiheit, Wärmedämmung – laut Schwedland eine Katastrophe. „Bei Wind kann man die Fenster schließen und trotzdem wehen einem die Gardinen ins Gesicht, so undicht ist es.“ Und: „Der Beton platzt, die Bewehrungen liegen frei, also auch von außen kann man sehr gut sehen, dass sich unser Haus langsam aber sicher in der Auflösung befindet.“ Eine extra eingerichtete Arbeitsgruppe habe bereits vor rund fünf Jahren festgestellt, dass eine Sanierung des Gebäudes keinen Sinn mache. Ziel sei immer gewesen, einen neuen Standort im Lüchower Stadtzentrum zu finden. Obwohl seit Jahren dringender Handlungsbedarf bestehe, habe die Samtgemeinde laut Schwedland aufgrund der Herausforderungen in der Schulpolitik keine personellen und finanziellen Kapazitäten gehabt, um sich mit einem neuen Standort zu befassen. Das VR-PLUS-Angebot sei deshalb sehr gelegen gekommen, auch weil die Anmietung des Gebäudes kein Verwaltungspersonal für etwaige Planungen binde. Nachhaltiger und umweltfreundlicher als ein Neubau sei die nun beschlossene Lösung allemal, wie sowohl Samtgemeinde als auch VR PLUS betonen.

Offener Bürgertag geplant

Die Zukunft des alten Rathausgebäudes ist ungewiss. Informationen über Kauf-Interessenten gibt es derzeit nicht. Restwert: rund 400 000 Euro. Samtgemeinde und VR PLUS planen einen offenen Bürgertag, um über die anstehenden Veränderungen im Detail zu informieren. Einen Termin gibt es allerdings noch nicht.