Von Axel Schmidt
Lüchow/Salzwedel. „Eine Genossenschaft ist das gelebte Vertrauen in die Zusammenarbeit in einer Region sowie das gemeinschaftliche Versprechen auf eine bessere Zukunft… vor allem auch ein Zutrauen, neue Produkte und Dienstleistungen zur Unterstützung der Mitglieder zu entwickeln.“ Das hat Professor Dr. Bernd Nolte bei der 100-Jahr-Feier der VR PLUS Altmark-Wendland betont. Die Jubiläumsgenossenschaft mit ihren fünf Standbeinen sei ein gutes Beispiel für solch eine erfolgreiche Entwicklung, lobte er.
Der „Fusions-Papst“, wie Nolte flapsig genannt wird, weil er als Berater an die 300 Verschmelzungen betreut hat, war einer von mehreren Rednern beim Festakt im Kulturhaus in Salzwedel. Dorthin hatte die VR PLUS gut 150 Gäste aus Politik, Wirtschaft sowie dem Raiffeisen- und Genossenschaftswesen eingeladen, darunter auch Mitglieder der Familien Mente und Möller, deren Vorfahren ebenso zu den Gründern zählten wie der Vater von Heinrich Wolter, der mit seinen 100 Jahren ältester Gast war – so alt wie die Genossenschaft.
Aufsichtsratsvorsitzender Torsten Wojahn erinnerte daran, dass die Spar- und Darlehnskasse Woltersdorf, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung, von 28 Mitgliedern in Woltersdorf gegründet worden war. Heute gehören der Genossenschaft über 13 000 Mitglieder aus den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt an. André Schröder, Finanzminister in Sachsen-Anhalt, würdigte das wachsende Unternehmen als einen elementaren Bestandteil der Wirtschaft in der Altmark. Das System der gegenseitigen Hilfe werde auch an der regelmäßigen Unterstützung von Vereinen, Verbänden und Initiativen deutlich. Für den Landkreis Lüchow-Dannenberg gratulierte Karl Behrens als stellvertretender Landrat zum Jubiläum. Mit seinem Blickwinkel aus dem Nachbardorf Kolborn skizzierte er die Entwicklung der Genossenschaft ab den 60er-Jahren. Die vielen Verschmelzungen, die von der heutigen VR PLUS ausgegangen seien, hätten zu einer „Bündelung der Kräfte“ in der ländlichen Region geführt, ergänzte Marco Schulz, Vorstandsmitglied des Genossenschaftsverbands, der 1992 bei der Volksbank Dannenberg gelernt hatte. Die Jubiläumsurkunde des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) überreichte dessen Präsident Franz-Josef Holzenkamp. Er machte die positive Entwicklung des Unternehmens an der Vorstandsvorsitzenden Grit Worsch fest, die diese aber als Ergebnis einer Teamleistung verstanden wissen wollte. Holzenkamp hob hervor, dass Grit Worsch die erste Vizepräsidentin des DRV in dessen 70-jährigen Geschichte sei.
Worsch selbst erinnerte an die Kriegszeit 1917, in der die Genossenschaft als Hilfe zur Selbsthilfe gegründet worden war. Damit hätten die Gründer Verantwortung für ihre Region übernommen. Am Ziel, durch Geschäfte mit der Landwirtschaft eine qualitativ hochwertige Versorgung mit Nahrungsmitteln durch günstige Preise, habe sich nicht viel geändert. In hiesigen Umfeld habe sich die VR PLUS als „stabiles Haus“ mit den Säulen aus Bank, Agrar, Energie, Technik und Markt entwickelt. Manfred Nüssel, Ehrenpräsident des DRV, skizzierte den digitalen Druck, der aktuell durch die Vorgaben der neuen Düngeverordnung auf die landwirtschaftlichen Betrieb laste. Künftig sei per EDV zu dokumentieren, dass auf landwirtschaftliche Flächen kein Gramm Dünger zuviel ausgebracht werde, bei optimaler Planung von Erträgen. Per Satellit sei es schon heute möglich, das Wachstum einer landwirtschaftlichen Fläche bis auf zehn Meter genau anhand von Erfahrungsdaten für die Zukunft vorherzusagen. Damit verbunden sei ein harter Wettbewerb um engere Kundenbindungen für Genossenschaften.
Uwe Fröhlich, designierter Vorstandschef der DZ-Bank, analysierte in freier Rede die aktuellen wirtschafts- und geldpolitischen Entwicklungen in Europa und deren Folgen für die Genossenschaften. Um die Präsenz in der Fläche weiter zu gewährleisten, sei eine weitere Bündelung im Genossenschaftswesen zu erwarten. In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden die zuvor vermittelten Standpunkte aus neuen Blickwinkeln beleuchtet. Musikalisch umrahmt wurde der über vierstündige Jubiläumsfestakt von Cello-Ensemble der Musikschule.